“Wer möchte schon für ein 3°C Unternehmen arbeiten?”

Hannah Helmke ist Mitgründerin und CEO der right.based on science GmbH. Sie entwickelte eine Software, mit der Finanzmarktakteure die Klimawirkung eines Unternehmens verstehen und mit der Unternehmen selbst ihre Klimawirkung in Richtung 1,5°C steuern können. Auf dem Markt ist das bisher einzigartig. Was das vor dem Hintergrund bestehender Regularien bedeutet und welche Chancen sich daraus für den Finanzsektor ergeben, verrät Sie im Interview mit der dfv Euro Finance Group.

dfv EFG: Ihr Unternehmen stellt eine Software für die Messung, Steuerung und Kommunikation der Klimawirkung in °C her. Hierfür entwickelten Sie die XDC-Kennzahl. Können Sie uns diese kurz erläutern? Wie hilft sie bei der Bewertung von Unternehmen in der Finanzbranche?

Helmke: Die XDC-Kennzahl drückt die Klimawirkung eines Unternehmens oder eines Finanzportfolios in einer °C-Zahl aus. Damit kann jeder die Klimawirkung in den Bezug setzen zum 1,5°C-Ziel des Pariser Klimaabkommens. Die Berechnung basiert auf den Emissionen des Unternehmens sowie wirtschaftlichen Parametern. Es wird also sehr einfach verständlich, ob ein Unternehmen in seinem Geschäftsmodell bereits für das Einhalten des 1,5°C-Ziels aufgestellt ist. Es entwickelt sich zunehmend Präferenz für Unternehmen, die im Einklang mit dem 1,5°C-Ziel wirtschaften. Wer möchte schon für ein 3°C Unternehmen arbeiten?

 

dfv EFG: Wie häufig kommt Ihre Software bzw. Ihre Kennzahl in der Finanzbranche schon zum Einsatz? Wie unterscheidet sich hier die Finanzbranche von der Realwirtschaft – adaptiert Ihrer Meinung nach eine Branche schneller als die andere?

Helmke: Zahlreiche Banken arbeiten bereits mit XDC, um die Klimawirkung ihres Portfolios zu verstehen und wir haben bereits 3 Artikel 9 Fonds mit KPIs ausgestattet. Also jene als „dunkelgrün“ klassifizierte Fonds, die gemäß der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) mit ihren Anlageinstrumenten explizite Nachhaltigkeitsziele verfolgen sollten. Alle 3 haben die Rückstufungswelle überlebt. Die Software kommt immer mehr zum Einsatz, weil sie das Engagement mit Unternehmen stark erleichtert. Es ist die einzige Software dieser Art, mit der Finanzmarktakteure die Klimawirkung eines Unternehmens verstehen und mit der Unternehmen selbst ihre Klimawirkung in Richtung 1,5°C steuern können. Diese Kombination ist entscheidend für die enge und transparente Zusammenarbeit von Finanz- und Realwirtschaft, um die Transition als Chance zu begreifen. Unternehmen sind nach meinem Eindruck viel weiter als der Finanzmarkt – der Finanzmarkt muss das nun nutzen, um gezielt Risiken zu verstehen und zu reduzieren.

 

dfv EFG: Sie sehen ESG-Siegel im Finanzsektor kritisch, finden sie intransparent. Wo sehen Sie hier Verbesserungsmöglichkeiten?

Helmke: Diese Siegel sind meistens so ausgestaltet, dass sie den Unternehmen nichts bringen. Unternehmen respektieren diese Ratings und Siegel nicht ausreichend, um die notwendige Entwicklung in Gang zu bringen. Ich frage mich dann, was ihr Mehrwert für den Finanzmarkt sein soll, wenn sie den Unternehmen nicht helfen, ihr Geschäftsmodell so umzustellen, dass sie weiter erfolgreich sind, dabei aber nur so wenige Emissionen verbrauchen, wie sie nach dem 1,5°C-Ziel eben dürfen. Das hat doch kurze Beine.

 

dfv EFG: Sie haben vor gut 7 Jahren Ihr Start-Up gegründet. Unterstützen Regularien wie bspw. die EU-Taxonomie und die CSRD grüne Innovationen (in der Finanzbranche) oder werden diese dadurch eher gehemmt?

Helmke: Das ist nach meinem Empfinden sehr unterschiedlich. Der Regulator hat mit allen Regularien der Wirtschaft das klare Signal gesendet, dass er es ganz schön ernst meint. Die Taxonomie hemmt die Transition, weil sie schlecht, fast planwirtschaftlich und bevormundend aufgesetzt ist. Das mögen Unternehmer gar nicht. Sie ist auch nicht nachweisbar auf das 1,5°C-Ziel ausgerichtet, was zu großen Problemen in der Zukunft, damit zu Inakzeptanz und zu weiteren Hemmnissen führen wird. Die CSRD wird die Transition befeuern, weil sie zumindest im Bereich Klima sehr schlau aufgesetzt ist, denn sie hält sich an die klimawissenschaftlichen Vorgaben, fokussiert sich auf die Transition und gibt genug Spielraum für Strategie. Man darf nicht unterschätzen, dass es die CSRD einklagbar macht, dass sich Unternehmen ernsthaft mit der Transition auseinandersetzen.

 

dfv EFG: Sie haben Right. in Frankfurt gegründet. Wie stehen Sie zum Status Quo des „grünen Finanzplatz Frankfurt am Main“?

Helmke: Ich bin kein negativer Mensch, aber die Antwort ist: Kläglich. Dabei könnte sich Frankfurt nun den Platz schaffen, an dem Impact umgesetzt wird. Das wäre ein Magnet für alle Akteure, die ernsthaft die Zukunft verstehen und gestalten wollen und können. Stellen Sie sich mal diesen bunten, lebhaften und positiven und auch wirtschaftlich gesunden Platz vor! Ich verstehe nicht, warum Frankfurt hier nicht zugreift.

 

dfv EFG: Welche konkrete Entwicklung/Entscheidung wünschen Sie sich für die grüne Finanzbranche bis zum Auslaufen der Klimaziele 2025 des Pariser Abkommens?

Helmke: Die Klimaziele laufen doch nicht im Jahr 2025 aus – was meinen Sie denn damit? Unabhängig davon wünsche ich mir aber, dass die Finanzbranche den besten Leuten aus der Realwirtschaft viel viel mehr zuhört und versteht, wie Transition unternehmerisch erfolgreich geht. Und diese Faktoren dann in klugen Finanzprodukten umsetzt. Die grüne Finanzbranche müsste sich ganz neu im Dienen verstehen.

 

dfv EFG: Vielen Dank Frau Helmke!